Hunde-Elend: Made in Germany

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Hunde-Elend: Made in Germany





Bald werden es fünf Jahre, seit die ersten Landeshundeverordnungen in Kraft traten. Wer nicht selbst mit seinem Hund betroffen ist, erfährt selten etwas von den Folgen dieser Gesetzgebungen. Denn bei den Medien stehen Beißvorfälle, Gerichtsurteile oder Hundekot-Debatten im Vordergrund. So wollen wir erinnern – an das Hunde-Elend made in Germany.

Seit Sommer 2000 verabschiedeten nach und nach fast alle Bundesländer eigene Hundeverordnungen und -gesetze. Die Intention war, Mensch und Tier vor gefährlichen Hunden zu schützen. Doch diese legitime Absicht verfehlte ihr Ziel. Denn die Verordnungen betrafen meist nicht gefährliche Individuen, sondern pauschal alle Hunde bestimmter Rassen und zwängten ihnen Maulkorb und Leine auf – oder schrieben gleich die Tötung vor, falls ein Hund den so genannten Wesenstest nicht bestand.

  • Verordnungen vor Gericht
Etliche der Verordnungen verstoßen gegen geltendes Recht, z.B. gegen das Tierschutzgesetz oder das Grundgesetz, und wurden daher viel beklagt – verbal wie juristisch. Manchmal erwirkten Kläger vor Gericht Teilerfolge, einige Verordnungen wurden gekippt oder ›nachgebessert‹. Manchmal mussten Niederlagen hingenommen werden, mehrere im letzten Jahr. So wird die hessische Verordnung, eine der härtesten, fortbestehen, denn der Verwaltungsgerichtshof Kassel hatte im Januar 2004 eine Normenkontrollklage mehrerer Hundehalter abgewiesen – eine Entscheidung, die inzwischen rechtskräftig ist. Folgenschwer urteilte auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im März 2004. Es bestätigte die wissenschaftlich nicht haltbare Annahme, dass vier Rassen generell als ›gefährlich‹ gelten. Dadurch werden die heftig kritisierten ›Rasselisten‹ in den meisten Bundesländern auch zukünftig Bestand haben.

  • Diskriminierung von Rassen
Und das Oberverwaltungsgericht Münster stellte fest, dass erhöhte Steuersätze für stigmatisierte Hunderassen nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen und manifestiert damit die Trennung der Hunde nach Rassen – nach guten und bösen. So gehen mitten unter uns tagtäglich u.a. American Staffordshire-Terrier, Bullterrier, Staffordshire-Bullterrier, Pitbullterrier, Rottweiler, Mastiffs und Mischlinge dieser und weiterer Rassen im wahrsten Sinne des Wortes vor die Hunde.

  • Endstation Tierheim
Das bedeutet: Tierliche und menschliche Tragödien spielen sich ab. Mit dem bis zum achtfachen des ortsüblichen Satzes betragenden Steuersatz schröpfen bundesweit Städte und Gemeinden die ohnehin von hohen Auflagen betroffenen Hundehalter gelisteter Rassen und deren Kreuzungen. Aber vor allem verwehren sie diesen Hunden, die in großer Anzahl in Tierheimen gelandet sind, die Chance auf ein Zuhause. Denn wer ist schon bereit, sich einen solchen Hund aus dem Tierheim zu holen? Sitzen die Tiere dort fest, leiden sie, entwickeln mitunter Aggressionen, die dann die Legitimation für ihre Tötung sind. Aber sie müssen auch gar nicht erst verhaltensauffällig werden. Manche Bundesländer, z. B. Bayern, lassen das Töten bereits zu, wenn gesunde Hunde eine bestimmte Zeit im Tierheim oder in einer Auffangstation verbracht haben.

  • Problem Wesenstest
Auch ›Listenhunde‹ mit intaktem Zuhause haben Probleme. Allein ständiges Maulkorbtragen und Leinenzwang werden zur Qual. Die Wesenstests, in denen die Vierbeiner ihre Gutmütigkeit unter Beweis stellen und dann von Leine und Maulkorb befreit werden können, sind vielerorts nämlich keine Hilfe. Im Gegenteil, Beispiel Hessen. Dort ist der Wesenstest sogar ein Muss für jeden Rassehund der Landesliste. Doch der Test enthält Elemente, die nicht neuesten verhaltenskundlichen Erkenntnissen entsprechen und natürlichem Hundeverhalten zuwider laufen. Hunde, die den Test nicht bestehen, werden von den Ordnungsbehörden rigoros eingezogen, die dann in der Regel die Tötung anordnen. Nur wenigen gewährt man die Chance eines zweiten Tests. Die Halter haben kaum eine Handhabe, ihr Tier aus der ›Sicherungsverwahrung‹ herauszuholen und lebend wiederzusehen. Hessen nimmt daher die Spitzenposition der Tötungsstatistik ein – mit 518 Hunden allein bis Ende 2003. In Niedersachsen hingegen geht es gerechter zu. Hier wird ein anderer Wesenstest durchgeführt, und dieser nur in Ausnahmefällen. Niedersachsen testet nicht nach Rasse, sondern nach individueller Gefährlichkeit eines Hundes, wenn dieser auffällig geworden ist.

  • Sterben im Verborgenen
Warum kein Aufschrei durch die Republik geht? Die Hunde in Deutschland leiden und sterben heimlich – ohne Öffentlichkeit und Medienberichterstattung. Und die Tierheime? Viele sind überfüllt und belastet mit diesen Hunden, andere passen sich den Wünschen des Marktes an. Kleinere und optisch schönere Hunde sind gefragt. So kümmern sich manche Tierheime kaum noch um die heimischen Probleme und importieren im großen Stil den gut vermittelbaren Typus aus südlichen und östlichen Ländern. Arme Hunde falscher Rasse in Deutschland! Und auch arme Europäische Einheit: Während der Staffordshire-Bullterrier hier zur Kampfmaschine abgestempelt wird, wurde er erst vor kurzem wieder vom größten englischen Hundeverband, dem British Kennel Club, zur beliebtesten Hunderasse gewählt …

STEPHANIE ELSNER

(Mit freundlicher Genehmigung:
Quelle: Magazin "tierrechte 1.05", Hrsg. Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e. V. - www.tierrechte.de)
 
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